von Marion Böker
Eine Schwalbe macht noch keinen Sommer: Ursprung des Sprichwortes ist eine Fabel von Äsop: Ein Mann verkauft seinen Mantel, weil er nach der Sichtung einer einzelnen Schwalbe davon ausgeht, dass der Sommer naht. Fortan muss er frieren, denn es bleibt kalt und die zu früh zurückgekehrte Schwalbe erfriert.[1]Bündnisse für eine zielorientierte Geschlechterpolitik sind Gruppierungen von Aktivist_innen aus der vielgestaltigen feministischen Frauen(friedens)bewegungen in ihrer langen Geschichte immer wieder eingegangen. Es gab Bündnisse für Geschlechterpolitik mit politischen Parteien. Mit Gewerkschaften wären zum Zwecke der Einlösung der Lohngleichheit von Frauen neue Bündnisse zu schließen. Sie könnten Klagen vertreten und nach vorne bringen. Wie ein Beitragender hier schrieb: das bringt mehr Lohn- und Rentengleichheit für Frauen, weniger Erwerbsarbeitsbelastung für Männer und mehr Zeit, die sie mit der Familie, der Waschmaschine, der Pflege älterer Menschen zubringen können und eine höhere Lebenserwartung. Um die Piraten entsteht gerade eine Genderdebatte, aus der ein neues Bündnis, ein neuer Deal entstehen könnte, der die Geschlechtermachtlinien in der Politik ein weiteres Stück verschieben könnte. Bündnisvereinbarungen finden sich in einigen Parteisatzungen. Sie sind kein Allheilmittel. Sie werden beständig ausgehebelt. Erst wenn die Mehrheit und die Spitzen sie ungeteilt verteidigen, kündigen sich als Erfolg durchstandener Bewusstseinsprozesse neue Realitäten nachhaltig veränderter Geschlechterverhältnisse an. Noch sind sie das Instrument beständiger Auseinandersetzung. Auch die durch Bündnispolitiken erreichten Gleichstellungsbestände in Verfassungen, heute fast überall international zu finden, sind oft nur deklaratorisch. So etwa sind EU-Gesetze oder verbindliche UN-Abkommen wie etwa CEDAW noch weitgehend unbekannt. Als Bündnisergebnisse zeigen erste Erfolge, werden aber zu wenig von Regierungen ernst genommen. Um wirklich das Potential der vorgeschriebenen Rechte, Methoden (Gender Mainstreaming & Budgeting), Instrumente (zeitlich befristet Sondermaßnahmen) auszuschöpfen, um die Ziele der Freiheit von Gewalt und Diskriminierung aufgrund von sex und gender zu erreichen, sind weitere Bündnisse nötig.
Warum sie für weitere Demokratisierung und bessere Regierungsführung wichtig sind
Transnational scheinen diese manchmal einfacher zu bilden sein, als national und lokal. Den Regierungen könnte natürlich einfallen, im Sinne ihrer Pflichten pro aktiv, unverzüglich zu handeln. Sie würden uns glatt unsere Zeit sparen, denn wir haben sie bereits ‚mandatiert‘, diese unsere Recht umzusetzen. Bündnisse für Genderpolitiken und Menschenrechte sind immer auch welche, die auf weitere Demokratisierung und bessere Regierungsführung hinwirken. Sie können nach Alison Woodward als „velvet triangle“ informell und formal zwischen Akteur_innen von NGOs, Verwaltung und Politik angelegt sein. Sie können ziemlich ähnlichen Partner_innen wie NGOs zusammen bringen. Wie Inge von Bönninghausen erwähnt – war die Allianz der deutschen Frauenorganisationen (2007-2009) ein erfolgreiches Bündnis gewesen, um der UN einen Alternativbericht über die mangelnde Umsetzung des ‚Menschenrechtsabkommen‘ CEDAW vorzulegen, aber auch eine fachlich umfassende Kritik der UN an Deutschlands seitens der UN zu unterstützen. Das Bündnis hatte ein klares Ziel, schuf sich Verfahrensregeln und war befristet. Nach dieser positiven Erfahrung war es kurzfristig jetzt im August/September möglich, dass sich ad hoc einige Akteur_innen wieder für einen kritischen Zwischenbericht an die UN zusammentun konnten.
„CEDAW bedarf dringend weiterer Akteur_innen“
Ein neues Bündnis für CEDAW bedarf dringend weiterer Akteur_innen: Migrant_innen, Asylbewerber_innen, Flüchtlinge, Jugendliche, Rentnerinnen, Schwarze Deutsche, Landfrauen, Roma aber auch Männer, die gegen genderbasierte Diskriminierungen vorgehen wollen. Bündnisse sollten offen sein; Akteur_innen fluktuieren können, damit sie langfristig agieren könne, ohne auszubrennen. Manche Bündnisse sind aber auch eindeutig ad acta zu legen, damit die Akteur_innen entlastet werden und neue Kreativität und Aktionsformen entstehen können. Genau wie international (s. Rita Schäfer) könnte eine Ausweitung der Vorstellungen und Forderungen über Geschlechterpolitik in einem CEDAW Bündnis sehr praktisch und pragmatische eine Baustelle der Tat und des Dialogs werden. Für ein CEDAW-Bündnis bieten sich neben dem Mitwirkungsrecht im Berichtsverfahren noch zwei weitere Ziele an: dass der Verbreitung der Information über CEDAW und wie es als Rechtsinstrument genutzt werden kann. Letzteres könnte die Unterstützung von Individuen und Gruppen beinhalten, die Beschwerden bei der UN nach CEDAW einreichen wollen. Populärer könnte ein solches Bündnis das Abkommen und damit das Recht auf Freiheit von Diskriminierung aufgrund von sex und gender machen, indem es einen CEDAW-Tag oder eine CEDAW Woche wie in den Niederlanden etabliert.
Es gibt viele Bündnisse wie die Initiative für einen geschlechtergerechten Haushalt in Berlin und europaweit (EGBN) oder das Aktionsbündnis Courage Kim Hak-soon für die Aussöhnung im Asien-Pazifik-Raum (für die Anerkennung der Rechte der Zwangsprostituierten dort im II. Weltkrieg) oder auch auf UN–Ebene, in denen bereits Männer mitwirken. Auf dem letzten Kongress der International Alliance of Women (IAW) in Südafrika waren Gender-Aktivisten, die gemeinsam mit der IAW für mehr Gender-Bildung werben.
„Das Kunststück ist die Balance der Diversität von Recht und Macht in Bündnissen“
Alles Grund zur Freude, solange die lang erkämpfte Definitions- und Handlungsmacht von Frauen nicht durch den altbekannten Haupt- und Nebenwiderspruch wieder nachgeordnet wird oder die Definitionsmacht benachteiligter „Frauen“/„Männer“ in einem Bündnis ähnlich sabotiert wird. Das Kunststück ist die Balance der Diversität von Recht und Macht in Bündnissen herzustellen. Es ist spannend, mit mehr gender/geschlechterpolitisch informierten, und gebildeten Akteur_innen zu arbeiten, die ihre Objekt- und Subjekthaftigkeit als ‚Mann‘ im Gender-Regime hinterfragen und ändern. Es ist dem Feminismus, den ich versuche zu leben und vertrete inhärent, dass „Männer“ in ihrer Gender-Festlegung ein Unbehagen, partielle Diskriminierung entdecken müssten und deshalb die herrschenden Geschlechterverhältnisse aus eigenem Interesse ändern müssten, wenn sie ihre Privilegien aufzugeben bereit sind (auch die von ‚class‘ und „race“). Ebenso inhärent ist das Recht auf Selbstorganisation solange eben kein Sommer ist.
Über das Potenzial in Gender Mainstreaming und Budgeting Prozessen
Zwar sind Gender-Beratungsprozesse anders als Bewegungsprozesse angelegt, aber hier erlebe ich das Potential in Gender Mainstreaming & Budgeting Prozessen wie „gender“ im Kontext der Menschenrechte Menschen in Verwaltungen in völlig neue Dialoge und Bündnisse im Rahmen ihrer Alltagsarbeit bringen. Sie suchen neue Wege ‚kommunale‘ Dienstleistungen so zu gestalten, dass Geschlechterpolitik mit bedacht ist, dass Gleichstellung ungeachtet sex/gender, geschlechtlicher Identität oder sexueller Orientierung erreicht wird und Inklusion stattfindet. Längst sind die Gleichstellungsreferate nicht überflüssig: hingegen initiieren sie im besten Fall diese Prozesse, begleiten sie mit Kompetenz und Umsicht. Aber sie geben den Auftrag mehr und mehr an alle Akteur_innen weiter. Begleitet von Gender-Trainings/Schulungen in langfristigen Prozessen kann viel passieren. Zukunft wird anders angelegt. Diese Prozesse zeichnet aus, dass Ressourcen verfügbar sind: Akteur_innen sind mit ihrer Arbeitszeit beauftragt für Genderpolitiken Ziele, Maßnahmen und Indikatoren zu arbeiten, es gibt einen festen Begleitrahmen, ein Management, abteilungs- und ressortübergreifende Lern- und Belebungsprozesse und noch zu selten Mitmachprozesse und Rückbindungen an die Bürger_innen und ein nötiges Minimum an Stellen/Anteilen und Finanzen.
Von Bündnissen der sozialen Bewegungen: Wer kann teilhaben?
Bündnissen der sozialen Bewegungen mangelt es daran zu oft. Deshalb sollten sie nicht nur Ziele und Regeln vereinbaren, sondern auch das Maß nötiger Ressourcen bedenken. Zeit kann eine Ressource sein sich auf das Verständnis von Genderpolitiken und deren Ziele für alle inklusiv zu einigen. Zeit, den Prozess des Bündnisses strategisch zu planen. Lernphasen, Trainings und Austausch einzuplanen und die Beteiligungsebenen so zu finanzieren, dass kein Ausschluss entsteht. Wo in internationalen Prozessen z.B. häufig Sprachenübersetzung ein Alltagsmittel ist, scheint das in Deutschland noch immer eine ‚überflüssige‘ ungedachte Ressource zu sein. Wo unsere Regierung und u.a. die UN solche Prozesse international fördern, müssen sie hier angehalten werden, das ebenso zu tun. Bündnisse brauchen aber eine besonders bewusst gepflegte Arbeitskultur. Da vieles aus unterschiedlichster Perspektive der Beteiligten aufwendig zu vereinbaren gibt, muss Wohlwollen, Offenheit, Transparenz und Achtung/ Wertschätzung die Atmosphäre bestimmen. Das braucht Kraft und wäre oft durch externe Moderation oder andere fachliche Hilfestellung zu erleichtern. Bündnisarbeit ist für alle Beteiligten oft eine zeit- und energieintensive Investition, mal mehr, mal weniger erfolgreich. Das Scheitern gehört dazu, um erfolgreiche Bündnismodelle zu etablieren: no risk no gain!
Bündnisse, quo vadis?
Insgesamt sind Bündnisse nicht nur machtpolitisch geboten. Sie sind oft schon selbst Teil des Prozesses der Veränderung für Geschlechterpolitik. Die Debatten in Bündnissen können viel (Um-) Denken auslösen und sind erfreuliche Grunderfahrungen für die Bildung wiederholter, langfristigerer Bündnispotentiale. Sie bilden im besten Fall Vertrauen, Kenntnis übereinander und den Anfang ‚menschlicher Sicherheit‘. Ab und zu wenn es gut gelingt entsteht ein Erfolg, und ein „Wir“ mit der sozialen Wärme des Sommers: das war der Streit bislang immer wert.
Marion Böker, unabhängige Gender- und Menschenrechtsexpertin, seit 2004 Inhaberin der Beratung für Menschenrechte & Genderfragen, Berlin; Initiatorin und Mitglied von CEDAW-Bündnisprozessen, Mitglied in nationalen & internationalen NGOs