Zu welchem Preis? – Internationale/Transnationale feministische Bündnisse

von Malathi de Alwis

Seit dem Entstehen einer globalen feministischen Bewegung engagieren sich Feministinnen aus dem Norden und Süden in internationalen/transnationalen Bündnissen. Ich behaupte, dass ihre Internationalität eine der größten Stärken sowohl der feministischen als auch der linken Bewegung ist (neben der Tatsache, dass sie sich aus Ideologien speisen, die Ergebnis politischer Kämpfe waren). Die UN-Frauenkonferenzen in Mexiko, Kopenhagen, Nairobi und Peking haben das Gefühl internationaler Solidarität unter Feministinnen weiter gestärkt. Darüber hinaus haben südliche Bündnisse wie DAWN (Development Alternatives with Women for a New Era) und regionale Organisationen wie APWLD (Asia-Pacific Forum on Women, Law and Development) Feministinnen die Möglichkeit gegeben, sich auf spezifische Belange und Themen nachhaltig zu konzentrieren.  In Zeiten nationaler Krisen haben sie aus diesen Bündnissen Kraft geschöpft und versucht, ihre Regierungen durch derartige unabhängige, internationale Netzwerke unter Druck zu setzen.

Ohne Kooperation zwischen Männern und Frauen kann es kein nachhaltigen Gesellschaftswandel geben!
Zudem schmieden Feministinnen Allianzen mit Männern, insbesondere wenn es um lokale und nationale Themen geht, denn es wird immer deutlicher, dass es ohne die Kooperation zwischen Männern und Frauen innerhalb einer geschlechtsspezifischen Gesellschaftsformation keine nachhaltige Veränderung geben kann. Die feministische Friedensbewegung in Sri Lanka hatte ihren Höhepunkt Anfang der Neunziger Jahre, als sie sich mit linksgerichteten Friedensgruppen und der größten Oppositionspartei verbündete, um gegen das „Verschwinden“ von Menschen im Süden und den Krieg im Norden und Osten zu protestieren und damit letztlich ein äußerst repressives Regime zu Fall brachte, das Sri Lanka 17 Jahre lang regiert hatte.

Warum es ohne Bündnisse und Solidarität in unserer heutigen Welt nicht geht
In unserer heutigen komplexen, globalisierten Welt kann keine_r ohne Bündnisse und Solidarität bestehen, insbesondere vor dem Hintergrund der bestehenden Macht- und Kapitalverhältnisse. Was mir jedoch Sorge bereitet, ist die Tatsache, dass die Machtkonstellationen innerhalb solcher Bündnisse selten untersucht oder problematisiert werden und den lokalen (lokal begrenzten) Auswirkungen solcher Bündnisse nur wenig Aufmerksamkeit geschenkt wird.

Was verbirgt sich hinter „transnational“ und „international“?
Die Einführung des Begriffs „transnational“ wird von vielen Feministinnen als Verbesserung gegenüber dem älteren Begriff „international“ wahrgenommen, weil der Begriff „transnational“ die Überwindung nationaler Grenzen impliziert und damit die globale Solidarität und Kooperation von Einzelpersonen/zivilgesellschaftlichen Gruppen – nicht unbedingt von Staaten – assoziiert wird. Das begeisterte Bekenntnis zum Transnationalismus bewahrt die Feministinnen jedoch nicht automatisch vor den Fallstricken des früheren Internationalismus: der Struktur von Zentren und Peripherien sowie der von Alexander und Mohanty (1997) so treffend beschriebenen „unverhältnismäßigen Last der Differenz“, die von Frauen in der „Dritten Welt“ zu schultern ist, innerhalb einer „global sisterhood“. Die Schwierigkeit besteht darin, solche Fallstricke zu vermeiden, egal ob wir uns in transnationalen oder internationalen Bündnissen engagieren.

Riding the Tiger – Erfolge eines transnationalen Bündnisses
Einer der größten Erfolge eines transnationalen Bündnisses in Sri Lanka war die Einrichtung des Unterausschusses für Genderfragen (Sub-Committee on Gender Issues, SGI) im Jahre 2002, während der Friedensgespräche zwischen der srilankischen Regierung und der militanten tamilischen Separatistenbewegung LTTE (Liberation Tigers of Tamil Eelam). Srilankische Feministinnen stützten sich dabei auf bewährte feministische Netzwerke und entsandten eine hochkarätige Abordnung von Frauen in die vom Krieg verwüsteten nördlichen und östlichen Regionen der Insel, um die Situation der dort lebenden Frauen zu dokumentieren. Der daraus resultierende Bericht wurde anschließend der srilankischen Regierung, der LTTE, den norwegischen Vermittlern sowie Sri Lankas wichtigsten bilateralen Gebern vorgelegt, um Frauenlobbys vor Ort an den Friedensgesprächen zu beteiligen und Frauenangelegenheiten zu einem festen Bestandteil der Friedensagenda zu machen. Zwar konnte der SGI fruchtbare Gespräche mit dem Frauenkader der LTTE führen; allein seine Existenz führte jedoch dazu, dass alle anderen Unterausschüsse geschlechtsspezifische Aspekte beim Wiederaufbaus, bei der Deeskalation und der politischen Umstrukturierung ignorierten, was wiederum zu einer Gettoisierung von frauenspezifischen Themen und Belangen sowie von Gender-Analysen führte. Auch hielten die Friedensgespräche nicht sehr lange an.

Obgleich das transnationale Bündnis SGI sowohl Erfolge verzeichnete als auch Rückschläge erlitt, war seine Einsetzung dennoch ein sehr erfolgreicher Schritt, da es von Feministinnen vor Ort initiiert und koordiniert wurde, die genau wussten, was sie erreichen wollten. Wie die meisten produktiven Bündnisse war es strategisch ausgerichtet und gut vorbereitet.

Srilankische Feministinnen als  „Verräterinnen“ beschimpft
Glücklicherweise fand die Initiative auch bei lokalen Medien ein positives Echo und führte nicht wie in der Vergangenheit zu öffentlichen Gegenreaktionen und einer Delegitimierung der feministischen Bewegung. An anderer Stelle (de Alwis 2002) habe ich bereits dokumentiert, wie srilankische Feministinnen, die die Vergewaltigung von tamilischen Frauen durch srilankische Soldaten in den nördlichen Kriegsgebieten (in den Achtziger Jahren) aufdeckten, indem sie Newsletter über verschiedene internationale feministische Netzwerke verteilten und auf mehreren internationalen feministischen Foren sprachen, als „Verräterinnen“ beschimpft und beschuldigt wurden, durch die internationale Veröffentlichung „privater“, lokaler Probleme „Schande“ über ihr Land zu bringen.

Ein Akt der Balance – Widersprüche immer wieder lösen
Diese Art von örtlich begrenzter Reaktion zeigt präzise den Widerspruch auf, den es immer wieder zu lösen gilt, wenn lokale Gruppen/Bewegungen an internationalen/transnationalen Bündnissen beteiligt sind. In dieser Hinsicht haben Feministinnen eine außergewöhnlich schwere Last zu tragen, da der Feminismus an sich oft als „westlich“ angesehen wird und daher von vornherein als suspekt und illegitim gilt, insbesondere in Zeiten von Hyper-Nationalismus wie z. B. bei Kriegen und Aufständen. Jedoch muss der Preis für ein erfolgreiches internationales/transnationales Bündnis stets den Preis der nationalen Isolation aufwiegen.

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Literaturangaben

Alexander, M. Jaqui and Chandra Talpade Mohanty. 1997. “Introduction: genealogies, legacies, movements” in Feminist Genealogies, Colonial Legacies, Democratic Futures, Herausg. M. Jaqui Alexander und Chandra Talpade Mohanty. London: Routledge.

de Alwis, Malathi. 2002. “Critical costs: negotiating feminism ‘at home’” in Inter-Asia Cultural Studies Journal, Band 3(3): 493-499.

 

Malathi de Alwis, PhD, ist Beraterin und Sozial- und Kulturanthropologin im Consortium of Humanitarian Agencies in Colombo, Sri Lanka. Zuvor war sie wissenschaftliche Mitarbeiterin im International Centre for Ethnic Studies (ICES), Colombo. Sie unterrichtete außerdem an der Faculty of Graduate Studies an der University of Colombo, an der New School for Social Research, New York, University of Chicago, University of the Witwatersrand, Johannesburg sowie an der Internationalen Frauenuniversität (IFU), Hannover. Sie ist Autorin zahlreicher Publikationen.