Pflegeroboter Visionen.

Roboter als Akteure und Objekte von Fürsorge-Arbeiten.

von Pat Treusch

Alltägliche Gefährt_innen
In der humanoiden Robotik scheint eine Art Imagekampagne vollzogen zu werden. Hier denke ich an die vielen aktuellen Modelle humanoider Roboter, deren Design sich in ein ‚Kindchenschema’ einfügt, die sich in ihren meist weißen Plastik(teil-)verkleidungen und den tollpatschig anmutenden ersten öffentlichen Geh-, Tanz- oder Kickversuchen über unterschiedliche Kanäle ihre Wege in die Medienlandschaft bahnen. Sie scheinen nichts mit einer Figur etwa des Terminators (Cameron, 1984), einer hypermaskulinen, unbesiegbaren Maschine, die sich gegen die Menschheit wendet, um diese auszulöschen, gemein zu haben. Vielmehr scheinen diese Modelle eine neue Ära der Mensch-Roboter-Verhältnisse einzuläuten: die Ära des_der humanoide_n Roboter* als freundliche, alltägliche Gefährt_in in unterschiedlichen Lebens- und Arbeitssituationen.
Medial breit präsentiert werden Roboter, welche in naher Zukunft Pflege leisten sollen. Dieser Einsatzort greift den demographischen Wandel auf, der es geradezu notwendig zu machen scheint, Pflege an Maschinen zu delegieren. Technologische Möglichkeiten, Pflege sowie weitere Formen der Fürsorge-Arbeiten an Maschinen zu delegieren, werfen die Frage nach der Un_Ersetzbarkeit menschlicher Fürsorge als zwischenmenschliche, affektive Arbeit auf. Kann oder besser soll ein Roboter diese Fürsorge-Arbeiten leisten können?

Who is making whom?
Ich plädiere dafür, von solchen Versuchen, Mensch und Roboter als Akteur_innen der Pflege gegenüber zu stellen, abzusehen. Denn dies führt zu schnell dazu, zu diskutieren, ob und inwiefern Roboter zwischenmenschliche Beziehungen ersetzen, oder sogar obsolet machen könnten. Um solch ein technikdeterministisches Positionieren entlang der Dualismen Mensch/Maschine und technisch/sozial kann es nicht gehen. So schlage ich vor, solche Gegenüberstellungen in Harawayanischer Manier eines cyborgianischem „Who is making whom?“ zu verkomplizieren.
Dank meiner Beobachtungen in einem Robotiklabor, in dem ein humanoides Robotermodell entwickelt und getestet wurde, kann ich berichten, wie fragil und voraussetzungsvoll Interaktion an der Roboter-Mensch-Schnittstelle ist. Die Maschine verhält sich eben nicht wie ein Automat – berechenbar und gewisse Abläufe ständig optimierend. Dem entsprechend erfordert Interaktion ein (körperliches) Einüben, Spontanität und ein gewisses Maß, über das Erwartete hinauszudenken. Aus Cyborg-feministischer Perspektive schlage ich vor, den_die Roboter* zum Objekt der Fürsorge zu erklären. Das meint, die unterschiedlichen Herstellungspraktiken dieser Interaktion als Arbeiten der Fürsorge an und mit der Maschine anzuerkennen. Solch ein Zugriff auf materielle Realitäten des Robotiklabors verdeutlicht nicht nur, dass hier Subjekt-und Objektverhältnisse der Fürsorge, Trennungen zwischen Mensch und Maschine, sondern damit eben auch Normen und Wertigkeiten dieser Fürsorge, sowie der gesellschaftlichen Arbeitsteilung und des Zusammenlebens verhandelt werden.

Die ‚natürliche’ Pflegekraft
Der zukünftigen Besitzerin sollen humanoide Roboter 24 Stunden am Tag an sieben Tagen die Woche zur Verfügung stehen. Diese Qualität der ständigen Verfügbarkeit artikuliert das serviceökonomische Versprechen einer ‚Dienstleistungsgesellschaft 4.0’. Visionen von Pflegerobotern zielen eben nicht nur darauf ab, bestimmte Bereiche der (Fürsorge-)Arbeiten an Roboter zu delegieren, sondern auch ganz neue Bereiche der Dienstleistung durch Automatisierungstechnologien – nicht zuletzt ökonomisch – zu erschließen. Ein Schlüssel dafür scheint das humanoide Design dieser Roboter zu sein: Eine Menschenähnlichkeit im Aussehen und Fähigkeiten sollen den Erfolg dieser Mensch-Maschine-Schnittstelle garantieren und ein Zusammenleben ‚so natürlich’ wie möglich gestalten. Doch was kann das konkret meinen? Wird der Roboter* hier zum Ersatz einer minutiös getakteten, regelrecht automatisiert arbeitenden, da durchrationalisierten Pflegekraft in Institutionen wie Krankenhaus oder Pflegeheim? Die Antwort auf diese Frage lautet schlichtweg nein. Zentral erscheint mir, stattdessen zu fragen, was es für ‚unsere’ Vorstellungen von Robotern, Automatisierung und Delegierung von (Fürsorge-)Arbeiten bedeutet, wenn konkrete Robotermodelle eine ausgeprägte ‚Nicht-Robotikhaftigkeit’ aufweisen und beides, Akteure sowie Objekte der Fürsorge sind.

 

Dies ist der zweite Artikel des zweiten Themas „Roboter: Zur Un_Ersetzbarkeit von Care-Arbeiter_innen“ der Debatte „Monströse Versprechen: Technologien zwischen Risiko und emanzipativem Potential“.


©privat - Alle Rechte vorbehalten
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Pat Treusch hat am Zentrum für interdisziplinäre Frauen- und Geschlechterforschung, TU Berlin, und am Tema Genus, Linköping Universität, Schweden, zu Robotic Companionship promoviert. Zu ihren Arbeitsschwerpunkten zählen queer und feministische Technowissenschaftsforschung, kritische Posthumanwissenschaften und feministische Materialitätstheorien.