von Monika Lazar
Politik ist in meinem Verständnis immer Bündnispolitik. Nur, wenn ich andere gewinne, überzeuge, motiviere, kann Politik gelingen, kann ich meine Vorstellungen voranbringen und umsetzen. Politik ist dabei ein Prozess, in dem es im Austausch, in der Zusammenarbeit, in der Kommunikation mit vielen anderen darum geht, möglichst viel von meinen Zielen umzusetzen – aber diese eben auch einem Realitätscheck zu unterziehen.
Ein Beispiel aus meiner aktuellen Arbeit: Wir haben in mehreren Anträgen und im Wahlprogramm die Quote für die Aufsichtsräte gefordert. Dafür gibt es viel Unterstützung in der Zivilgesellschaft, also bei engagierten Menschen außerhalb der Parteien. Organisationen wie der Deutsche Juristinnenbund, Frauen in die Aufsichtsräte e.V., die Nürnberger Resolution und andere unterstützen das Anliegen – durchaus mit Unterschieden im Detail, zum Teil mit geringeren Quotenforderungen, zum Teil mit höheren. Unser bündnisgrüner Gesetzentwurf entstand in enger Zusammenarbeit mit diesen Gruppen. Als wir unseren Vorschlag bei der Bundespressekonferenz vorstellten, saßen Vertreterinnen dieser Organisationen mit auf dem Podium, bei der Ausschussanhörung waren sie als Expertinnen dabei. Inzwischen hat unsere Forderung auch im Bundestag mehr Gehör gefunden, die SPD stimmte ihm zu, auch die Linksfraktion und einzelne weibliche Abgeordnete der Union sprachen sich dafür aus. Die Online-Petition an den Bundestag der NGOs nahm Ekin Deligöz, stellvertretende Fraktionsvorsitzende unserer Fraktion zum Anlass, konkret bei den Kolleginnen der anderen Fraktionen für Unterstützung zu werben. Zusammen mit Dagmar Ziegler von der SPD lud sie die Petentinnen und die Frauenpolitikerinnen der anderen Fraktionen ein, um noch einmal die Gemeinsamkeiten auszuloten. Daran zeigt sich: es ist möglich, auch über Fraktionsgrenzen hinweg, punktuell Bündnisse einzugehen. Allerdings zeigt sich auch, dass die Tragfähigkeit nicht überschätzt werden darf: Noch wird die Koalition alle unsere Anträge ablehnen. Aber mir ist es auch wichtig, den Druck aufrecht zu erhalten – das können wir als Fraktion nicht alleine, dafür sind eben Bündnisse mit anderen Organisationen notwendig.
Frauen haben über die Fraktionsgrenzen hinweg durchaus wichtige Projekte durchgesetzt. Dazu gehört vor allem die Strafbarkeit der Vergewaltigung in der Ehe. Erst als Frauen über die Fraktionsgrenzen hinweg – unterstützt von der öffentlichen Meinung – einen Gruppenantrag einbrachten, wurde diese endlich 1997 Gesetz.
Bündnisse von Parlamentarierinnen, das zeigt sich an diesen Beispielen, sind selten und sie sollten aus meiner Sicht auch die Ausnahme darstellen. Denn Frauen sind ja nicht qua Geschlecht die schlaueren und besseren Politikerinnen. Geschweige denn, dass sie immer einer Meinung sind. Dennoch gibt es Themen, bei denen das biologische Geschlecht dann doch zum Tragen kommt. Aber solche Vereinbarungen sind sehr aufwändig und eben nur ausnahmsweise sinnvoll.
Anders ist es mit Kooperationen mit der Zivilgesellschaft. Bündnis 90/DIE GRÜNEN sind aus den sozialen Bewegungen und den Bürgerbewegungen entstanden, sie pflegen bis heute hier ein gutes und enges Verhältnis. Quote, Entgeltgleichheit, Schutz vor Gewalt – all diese Themen lassen sich nur in der Zusammenarbeit mit Frauengruppen, Frauenhäusern, Gewerkschaften bearbeiten. Das heißt im Umkehrschluss aber auch: Je schwächer diese Gruppen sind, je mehr beispielsweise die Frauenhäuser um die Aufrechterhaltung ihrer Angebote mit den Landesregierungen kämpfen müssen, desto weniger Energie bleibt für feministisches Engagement. Vieles verändert sich aber sowieso: So sind wir im Dialog mit Migrantinnengruppen, mit „neuen“ Feministinnen ebenso wie mit Bloggerinnen. Allerdings ist auch klar: Bündnisse sind wie Koalitionen, sie werden auf Zeit eingegangen, um einzelne Ziele zu erreichen.
Und wie geht es mit den Männern? Hier muss ich deutlich sagen: Ich würde mir mehr wünschen. Wir können die Geschlechterverhältnisse nur verändern, wenn beide Geschlechter daran etwas tun, das ist meine feste Überzeugung. Die Umfragen zeigen, dass die Frauen sich sehr verändert haben, nicht der Meinung sind, dass sie per se für Hausarbeit oder Kinder zuständig sind. Bei den Männern ist das Bild nicht so klar. Im Gegenteil, wir haben viele, die zwar verbale Zustimmung zu gerechten Verhältnissen äußern, aber doch so ganz anders leben und auch leben wollen. Wie ist es in der Politik? Es kommt immer wieder zu einzelnen emanzipatorischen Ausbrüchen, das „Männermanifest“ war im letzten Jahr der meistdiskutierte. Allerdings ist bisher wenig daraus gefolgt, keine weiteren Papiere, Anträge oder konkrete praktische Schritte. Hier würde ich mir mehr dauerhaftes Engagement wünschen, zum Beispiel das Aufgreifen geschlechterpolitischer Themen durch die männlichen Abgeordneten. Eine Schwierigkeit ist vielleicht auch der mangelnde Organisationsgrad – inzwischen gibt es das Bundesforum Männer oder die Bundesarbeitsgemeinschaft Jungenarbeit, mit beiden werde ich in der nächsten Zeit Gespräche führen. Hier von Bündnissen zu sprechen wäre übertrieben, es ist eher ein „aufeinander zu gehen“.
Monika Lazar, MdB, ist in der grünen Bundestagsfraktion Sprecherin für Frauenpolitik und für Strategien gegen Rechtsextremismus. Mitglied im Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend und im Rechtsausschuss, sowie stellvertretendes Mitglied im Petitionsausschuss.