von Franza Drechsel
Es gibt keinen Streit und auch keine Debatte mit den Männerrechtlern, sondern einzig ein Nebeneinanderherreden, was auch gut so ist.
Die durch das Männermanifest neu angestoßene Debatte ist nicht als Streit zu bewerten, sondern als Anstoß, endlich gemeinsam Geschlechterpolitik zu machen.
Es ist nicht als Streit zu bezeichnen, was Männerrechtler und diejenigen, die sich gegen starre Geschlechter(verhältnisse) einsetzen, vereint. Es handelt sich hierbei um einen – Mouffe würde wohl sagen – Agonismus, der keinen Kompromiss zum Ziel hat und auch keinen erreichen wird. Es ist kein Miteinanderreden und kann auch kein Streiten sein – denn das, was die „Debatte“ genannt wird, ist ein Nebeneinanderherreden. Solange die Männerrechtler Feminist_innen nicht wirklich herausfordern, braucht es auch weder einen Streit, noch ein Miteinanderreden.
Die Männerrechtler stellen eine – sicherlich nicht untypische – Gegenbewegung zu feministischen Bewegungen dar, die meines Erachtens zu beobachten, aber nicht zu ernst zu nehmen ist. Ängste, die diese Männer offensichtlich haben, sind ein Zeichen von Unsicherheit. Vorbeugen vor Unsicherheiten kann dem Ziel, der Konstruktion von Geschlecht entgegen zu wirken, allerdings nur zuträglich sein. Darum darf der Diskurs um Geschlechterverhältnisse nicht zu akademisch werden. Unklarheiten, die queerfeministische Diskurse gesamtgesellschaftlich hervorrufen, müssen also sehr wohl ernst genommen werden. Eine Herausforderung für die Zukunft sehe ich somit darin, zu vermitteln, worin der Mehrwert unserer Forderungen liegt.
Auch zwischen den Grünen Feministen und denjenigen, die gegen starre Geschlechter(verhältnisse) arbeiten, gibt es keinen Streit. Warum auch? In der Analyse und auch in dem Weg zum Ziel unterscheiden sich alle Kämpfer_innen unabhängig vom Geschlecht. Wichtig ist, was uns eint: Das Aufbrechen von Geschlechterrollen. Einige wollen mehr: Das Abschaffen des biologischen Geschlechts sowie das Einbeziehen von Überschneidungen verschiedener Unterdrückungen. Aber auch in ihren Zielen variieren nicht einzelne Geschlechtergruppen, sondern alle Geschlechter. Insofern ist ein Streit nicht nötig, er wäre eher kontraproduktiv.
Die Grünen Feministen haben vielmehr erneut eine Debatte um das Ausgestalten von Geschlechterpolitik angestoßen. Das ist sehr zu begrüßen, da dies einmal mehr die Gelegenheit bietet, dass nicht jedes Geschlecht für sich, sondern auch beide bzw. alle Geschlechter gemeinsam für die Visionen einer geschlechtsfreien Welt und den Schritten dahin kämpfen. Denn es geht nicht darum, dass sich Frauen für Frauen, Männer für Männer, Homosexuelle für Homosexuelle, Heterosexuelle für Heterosexuelle u.d.m. einsetzen und so letztlich gegeneinander arbeiten. Zwar brauchen Diskriminierte jeweils Schutzräume und damit auch einen Selbstvertretungsanspruch. Es muss aber auch darum gehen, gemeinsam Wege zu finden, zusammen zu arbeiten und zu versuchen, verschiedene Bedürfnisse und Wünsche zu berücksichtigen.
Hier muss vor allem noch stärker miteinbezogen werden, dass es nicht nur um die Frage von Geschlecht oder sexueller Orientierung geht. Ein Kampf gegen Geschlechterverhältnisse ist mit einem Kampf gegen jedwede Art von Diskriminierung verbunden. Einzubeziehen, dass jemand nicht durch ein einziges Herrschaftsverhältnis, sondern durch mehrere gleichzeitig geprägt ist, ist meines Erachtens für zukünftige Frauen- und Geschlechterpolitik unerlässlich. Gerade hierin liegt eine Herausforderung, da dies bisher theoretisch vielfach beteuert, aber noch kaum praktisch umgesetzt wird.
Dabei ist es wichtig zu beachten, dass wir alle in diesen Herrschaftsverhältnissen gefangen sind. Auch wenn wir dagegen kämpfen, stecken Vorurteile und Verhaltensweisen in uns allen drin. Reflexion und Offenheit sind gefragt, um diesen schwierigen Prozess in Angriff zu nehmen.
Dies ist einer meiner Kritikpunkte am Männermanifest: Es kommt kein Funken Selbstkritik darin vor. Denn selbstverständlich sind auch die Autoren des Männermanifests, so feministisch sie auch sein wollen, von als „männlich“ beschriebenen, zugeschriebenen Verhaltensweisen geprägt. Dies anzuerkennen und offen damit umzugehen, ist ein wichtiger erster Schritt für die Zusammenarbeit mit anderen (aufgrund von Geschlecht) diskriminierten Gruppen.
Gerade dieser Punkt macht deutlich, dass (grünen) Männern oft erst noch stärker bewusst werden muss, dass sie privilegiert sind. Wie so oft in Bezug auf Diskriminierungen und Privilegierungen ist es auch hier so, dass die Diskriminierten eher als die Privilegierten die Strukturen erkennen und bekämpfen. Eine „Normalität“ zu erkennen ist schwerer, als zu erkennen, keinen Zutritt dazu zu haben.
Ziel grüner Frauen- und Genderpolitik muss also auch sein, Bewusstsein dafür zu schaffen, dass, wann und wie Männer in unserer Gesellschaft privilegiert sind. Im Rahmen der Intersektionalität ist es u.A. gleichzeitig wichtig zu wissen, dass, wann und wie man als Weiße_r in unserer Gesellschaft (und darüber hinaus) bevorteilt ist.
Es kann darum in der Schuldebatte nicht sinnvoll sein, nur eine Subjektposition zu berücksichtigen und von den Jungs in der Schule zu sprechen (wer auch immer darunter subsummiert wird). Wird an Jungs gedacht, müssen mindestens auch Mädchen und diejenigen, die sich als weder-noch begreifen, miteinbezogen werden, sowie auch diejenigen Jungen, die nicht in das Schema des Rowdies passen. Ziel muss es sein, dass alle Schüler_innen frei von Zuschreibungen agieren können. Um dieses Ziel zu erreichen, müssen in Überlegungen also auch Kategorien wie „Rasse“, Behinderung, sexuelle Orientierung u.d.m. einbezogen werden.
Kai Gehrings Wunsch, dass es mehr Lehrer für die Jungs gibt, passt also eher in das Bild des Identitätskampfes. Ist denn ein Lehrer nicht genauso wichtig für ein Mädchen oder ein Kind, das sich weder als weiblich noch als männlich fühlt? Es geht vielmehr darum, gendersensible Lehrkräfte auszubilden.
Hier liegt denke ich ein Knackpunkt: Im Fachjargon als Doing Gender bekannt, müssen wir – wie oben angedeutet – anerkennen, dass wir alle in den vorhandenen Strukturen agieren und damit Geschlechter konstruieren und reproduzieren. Dies ist bei Lehrer_innen gesellschaftlich gesehen sicherlich mit am relevantesten. Es ist davon auszugehen, dass viele Lehrer_innen sich nicht bewusst sind, dass sie mit ihrer Erwartungshaltung auch dafür verantwortlich sind, wie sich die Schüler_innen verhalten. Dies ist sicherlich nicht leicht zu durchbrechen. Deutlich wird aber wohl, dass es wichtiger ist, die Gendersensibilität von Lehrer_innen zu schulen als pauschal Lehrer einzustellen.
Die Debatte ist also, wie auch an den Beiträgen hier ersichtlich wird, wichtig. Offen und selbstkritisch müssen wir uns den Herausforderungen darin stellen. Die Herausforderungen sind weniger Männerrechtler und Grüne Feministen, als vielmehr der Einbezug von Intersektionalität, gemeinsame identitätsübergreifende Kämpfe und nicht zuletzt die Vermittlung unserer Analysen und Ideen.
Franza Drechsel, 22, zog 2008 von Hamburg nach Berlin, wo sie seitdem Sozialwissenschaften studiert. Sie ist seit 2005 aktiv in der Grünen Jugend und war von Oktober 2009 bis Mai 2010 Frauen- und Genderpolitische Sprecherin des Bundesverbands.