Grüne Feministen und „Männerrechtler“ fordern Frauen- und Geschlechterpolitik heraus. Was ist der Streit-Wert?

Barbara Unmüßig, Vorstand Heinrich-Böll-Stiftung

Antifeministische Strömungen machen sich im politischen Feuilleton und vor allem in Online-Medien breit. Nicht nur in einschlägigen Blogs oder Zeitschriften, sondern gerade in bürgerlichen Medien wie ‚FAZ’, ‚Die Welt’ oder ‚Der Spiegel’ beanspruchen sie seit einiger Zeit immer mehr Raum. Was steckt dahinter? Ein Phänomen von kurzer Dauer, nicht den Streit wert? Oder müssen sich alle, denen Geschlechtergerechtigkeit ein politisches Anliegen ist, damit auseinandersetzen?
Selbst ernannte „Männer- und Väterrechtler“, viele aus dem rechts-konservativen Spektrum, sprechen vom „Staatsfeminismus“, der in der (westlichen)Gesellschaft inzwischen zu einer Benachteiligung von Männern führe. Jungen schnitten in der Schule wegen deren „Feminisierung“ schlechter ab; Scheidungsvätern würden die Kinder weggenommen. Frauen hätten inzwischen mindestens so viele Rechte wie Männer und würden sich nur aus individuellen Gründen öfter als Männer gegen die Karriere entscheiden. All diese Argumente haben ein gemeinsames Feindbild: „den“ Feminismus. Zusammen gewürfelte Einzelbeispiele und Polemiken sollen undifferenziert und pauschal die Benachteiligung von einer homogen dargestellten Gruppe der Jungen und Männer beweisen. Mit dieser Analyse(un)fähigkeit und Argumentationslogik disqualifizieren sich diese „Männerrechtler“ selbst.
Wenn ein von seiner Frau geschlagener Mann bei der Polizei anruft und von dem Polizisten am Telefon als „Memme“ (vgl. MANNdat) ausgelacht wird, ist dies kein Beispiel für bösen Feminismus, sondern es zeigt einmal mehr, wie tief Geschlechterstereotypen vom harten und aggressiven Mann und der passiven, schwachen Frau in der Gesellschaft verankert sind. Die Schuldzuweisung an die Feministinnen wird zur Projektion für den vermeintlichen Machtverlust der Männer. Einzelfälle werden häufig generalisiert. Mit der Wahrnehmung der Wirklichkeit von Geschlechterdifferenzen oder der gesellschaftspolitischen Reichweite feministischer Politik hat das nichts mehr zu tun.

Ohne Zweifel: es gibt Ungerechtigkeiten und Tabuthemen, wie Gewalt gegen Männer, Wehrpflicht oder Männergesundheit. Der undifferenzierte Blick auf unterschiedliche Schulabschlüsse von Jungen und Mädchen bleibt jedoch beim Geschlecht stehen, ohne auf die Mehrdimensionalität von Benachteiligungen und Identitäten zu achten, also darauf, dass Noten und Verhaltensweisen in der Schule immer auch mit ethnischer Herkunft oder sozialen Klassen zusammenhängen können.

„Männerrechtler“ beanspruchen heute für sich, „die Männerbewegung“ zu sein. Mit den in den 1970er und 80er Jahren entstandenen Männergruppen, die sich als „profeministisch, antisexistisch, linksradikal“ (Kemper, 2009) verstanden oder mit emanzipatorisch orientierten Männern, haben die „Männerrechtler“ aber nichts gemein. Leider besteht hier die Gefahr, dass emanzipatorisch ausgerichtete Männlichkeitsdiskurse in der Öffentlichkeit verunglimpft werden.

Einige grüne Männer haben dies erkannt und sind ihrerseits mit dem „Grünen Männermanifest“ im April 2010 in die Offensive gegangen. Das Manifest weist auf die unzureichende Auseinandersetzung mit Männerrollen/ männlichen Identitäten, Männer und Gesundheit und Väterrollen hin. Außerdem greift es feministische Diskurse auf. Es wendet sich gegen traditionelle Männlichkeitskonzeptionen sowie gegen das vorherrschende männliche Ernährermodell und spricht sich für andere Rollenmodelle für Jungen/ Männer aus sowie für ein vielfältigeres Verständnis von Männlichkeit.
Wir meinen: Geschlechterpolitische und feministische Akteur_innen sind herausgefordert den selbsternannten „Männerrechtlern“ Paroli zu bieten und sich in den öffentlichen Diskurs um Geschlechterverhältnisse und Geschlechterdemokratie einzumischen. Mit dieser Online Debatte „Was ist der Streit-Wert“ wollen wir dazu beitragen. Interessante Fragen sind u.a.

  • Was ist dran an diesem vor allem in der Medienöffentlichkeit „gehypten“ Streit?
  • Werden Probleme von Jungen und Männern verharmlost oder ignoriert? Wenn ja, wie lässt sich das ändern ohne in geschlechterstereotype Antworten zu flüchten?
  • Wie steht das grüne Männermanifest zu den „Männerrechtlern“? Ist die Abgrenzung geglückt? Wodurch kennzeichnet es sich als „profeministisch“?
  • Und: Wie sollte (grüne) Geschlechterpolitik aussehen, die Perspektiven von Jungen und Männern von vorneherein mit einbezieht? Ist Identitätspolitik der richtige Weg oder ist eine Öffnung zu queeren Perspektiven vonnöten?
  • Was kann aus der Geschichte der Frauenbewegung und von feministischen Ansätzen und Erfahrungen gelernt werden?
  • Kann ein traditioneller Gleichstellungsansatz als Schablone genutzt werden oder ist z.B. tatsächliches Gender Mainstreaming der Weg?

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